Test: Microsoft Band

(17.11.2014 15:00 CET)

Der Markt der Wearables boomt wie kaum ein anderer. Warum auch immer das den Anwendern so viel bedeutet, ihre Gesundheitsdaten quer durch die virtuelle Welt zu posaunen und statt einer gut designten Uhr ein hässliches Plastikarmband mit Display zu tragen: Fitness-Bänder, Smartwatches und wie auch immer sie heißen mögen erfreuen sich steigender Beliebtheit. Und da hat Microsoft bisher nicht wirklich dran partizipiert: Android Wear ist nur für Android, die Apple Watch nur für iOS, diverse angekündigte Drittanbieter-Smartwatches haben zwar vollmundig eine Windows Phone-Komponente versprochen, am Ende aber nicht wirklich funktional umgesetzt. Und dann hat Microsoft unerwartet am 29.10.14 einen Coup gelandet und mit dem „Microsoft Band“ eine Kombination aus Fitnessband und Smartwatch auf den Markt geworfen. Und das nicht nur für Windows Phone, sondern gleich auch für Android und iOS, ein Novum, denn alle anderen Anbieter bisher haben sich auf Android und/oder iOS festgelegt.

Der Kaufspass war ein recht kurzer: schon kurz nach dem Launch war das Band in den kompletten USA online wie in den Microsoft Stores ausverkauft. Auf eBay gingen (und gehen) die Preis in schwindelerregende Höhen: Statt der USD 199,- Verkaufspreis in den Stores gehen die Bands zwischen USD 400,- und 500,- über die virtuelle Ladentheke. Nun sprechen die einen von einem bahnbrechenden Erfolg, die anderen von einer hausgemachten Verknappung, um die entsprechende Presse zu bekommen, wiederum andere schieben es darauf, dass das Band nur als Marketing-Unterstützung der hauseigenen Microsoft Health-Plattform gedacht war.

Wie auch immer: Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut, eines nach Deutschland zu bekommen, und kann als vorgezogene Zusammenfassung schon mal sagen: Ich bin begeistert. Absolut. Da die Microsoft Health-App nicht im deutschen Windows Phone Store verfügbar ist, habe ich hier mal zusammengeschrieben, wie man sie trotzdem bekommen kann. Um das Band allerdings mit allen Funktionen zu nutzen, muss das Phone komplett aus USA umgestellt werden (Sprache, Region und Formate). Das wird den einen oder anderen Anwender abhalten, ist aber der Tatsache geschuldet, dass das Band nur auf dem US-Markt vertrieben wird. Sollte es auch offiziell nach Europa kommen, dann wird sich auch dies ändern.

Vor diesem Testbericht zur Einwertung mein Anspruch: Ich bin kein Fitness-Fanatiker, habe gerade einmal das erste Fitbit getestet. Begeistert war ich von der Samsung Galaxy Gear, die als Smartwatch Design und Funktionalität gut vereint hat, allerdings leider auf der falschen Plattform. Der große Reiz des Microsoft Bands ist für mich die Menge der Benachrichtigungen, die ich ohne mein Telefon in der Hand haben zu müssen, direkt auf die Uhr bekommen kann. Die diversen Fitness-Funktionen sind ein nettes AddOn.

 

Haptik:

Wenig ist so subjektiv die wie Haptik eines mobilen Gerätes. Und gerade Smartwatches sind ja besonders „kritisch“, weil sie mit einer Mischung aus Gebrauchsgegenstand und Schmuckstück konkurrieren müssen. Ich bin unsicher: Das Microsoft Band hat hier einiges an Kritik einstecken müssen, weil es klobig, unförmig, hässlich sei. So extrem sehe ich das nicht: Keine Frage, mit einer schönen Armbanduhr kann es nicht mithalten, aber trotz der beiden Akkus, die in den Seiten des Armband stecken, dem Ladeport unter dem Display und dem Herzfrequenzmesser an der Schliesse des Armbandes finde ich das Design gelungen: modern, futuristisch, und eben nicht als Simulation einer Armbanduhr kommt das Microsoft Band daher. Das hat auch den Vorteil, dass man das Band an der einen und eine klassische Armbanduhr an der anderen Hand tragen kann.

Wider meiner Erwartung kann der Herzfrequenzmesser nicht nur unten, sondern auch oben am Handgelenk getragen werden. Wer das vorhat, der sollte allerdings einen Displayschutz anbringen, denn die Wahrscheinlichkeit, Kratzer zu verursachen, ist dann recht hoch. So getragen ist dann die Metallschliesse mit dem eingeätzten Microsoft-Logo sichtbar. Schön oder hässlich? Im Auge des Betrachters.

 

Bedienung:

Man merkt dem Microsoft Band an, aus welchem Stall es stammt: einmal gestartet begrüßt es den Anwender mit einem Startbildschirm, der die Uhrzeit und wählbar entweder die Herzfrequenz, das Datum, die Schritte oder die verbrauchten Kalorien anzeigt. Wischt man dann nach rechts, dann wird der Batteriestatus, die dauernde Herzfrequenzmessung und die Bluetooth-Verbindung symbolisiert, quasi wie bei der Statusleiste eines Windows Phones. Wischt man nach rechts, dann gelangt man in einen typischen Windows (Phone) 8-Kachelbildschirm. Dieser ist über die mobile App einrichtbar, sowohl in der Auswahl als auch in der Anordnung der angezeigten Kacheln. Generiert die App eine Benachrichtigung, dann wird diese im Display des Bands angezeigt werden und kann durch Antippen geöffnet oder durch Wischen nach links über den Bildschirm und tippen auf „Dismiss“ verworfen werden.

„Geöffnet“? Tatsächlich: die ersten Zeilen der E-Mail/des Tweets/der Facebook-Nachricht/der SMS können durch Wischen nach oben gelesen werden. Das reicht natürlich nicht für eine komplette E-Mail, aber in den meisten Fällen für die Entscheidung, ob das Smartphone in der Tasche bleiben kann oder zur genaueren Betrachtung hervorgeholt werden muss.

Ansonsten ist die Bedienung recht simpel: Die linke (in der Mitte des Bands angeordnete) der beiden Tasten schaltet das Display ein oder aus, die rechte dient dazu, Funktionen auszuwählen bzw. zu starten. Der Rest wird mit Wischen und Tippen auf dem Touchscreen erledigt.

 

Fitness:

Das Microsoft Band hat eine Vielzahl von Sensoren: Die Herzfrequenz/Puls, Hautfeuchte, Bewegung, Helligkeit sind bei der einen oder anderen Smartwatch Standard. Was das Band besonders macht: Es hat ein eigenes GPS integiert. Ausflüge nach Draußen können also komplett ohne Smartphone gemacht werden. Beim Start des „Runs“ wird das GPS eingeschaltet und die Position gesucht. Wer nicht warten will, kann schon mal loslaufen, die anderen aufgenommenen Parameter wie Schritte, Puls etc. werden aufgenommen und das GPS dann bei bestimmter Position hinzugeschaltet. Am Ende des Runs muss die rechte Taste einmal gedrückt werden, und das Ende des Ausfluges bestätigt werden.

Erst beim nächsten Kontakt mit dem Smartphone wird eine Synchronisation vorgenommen, die die Daten übermittelt und dann alle wichtigen Parameter wie Strecke, durchschnittlicher Puls, maximaler Puls, Geschwindigkeit etc. auch grafisch darstellt. Auf der Uhr selbst werden nur die Parameter dargestellt.

Wer richtigen Workout betreiben möchte, der kann dies in der Kombination Band/App problemlos machen: Verschiedenste vorbereitete Workoutpläne können auf das Band heruntergeladen werden und dann interaktiv „abgespielt“ werden. Das Band gibt dann kontinuierlich Hinweise, wann man was machen soll, und das in verschiedenen Schwierigkeitsstufen.

Viel der Fitness-Funktionalität des Microsoft Bands geht in Richtung Motivation: Sowohl die zurückgelegten Schritte als auch die verbrannten Kalorien (die aus eine Kombination der erfassten werte und den voreinzustellenden persönlichen Daten wie Größe und Gewicht berechnet werden) werden gegen Tagesziele gerechnet. Diese Tagesziele sind am Anfang leicht erreichbar, aber natürlich sollen die Anwender die Ziele nach und nach immer höher setzen und damit immer fitter werden.

Microsoft geht das Thema geschickt an: Statt für andere Fitness-Plattformen eigene Apps zu erstellen oder zu finanzieren, setzt man auf Integration. Wer beispielsweise RunKeeper als Dienst nutzt, der kann seinen Microsoft Health Account damit verknüpfen, und jede aufgezeichnete Trainigseinheit wird automatisch an RunKeeper übermittelt.

Und zu guter Letzt: Wer immer schon mal wissen wollte, wie effektiv er schläft, der kann auch das analysieren lassen. Am kommenden Morgen sind dann der Puls über die Zeit, die Phasen des Tiefschlafs, des leichten Schlafs und des Wachseins und eine Einschätzung über die Effektivität verfügbar. Wer´s braucht... :-)

 

Smartwatch:

Ich hatte es ja schon eingangs gesagt: das wirklich Spannende an dem Microsoft Band ist für mich die Tatsache, dass es als Smartwatch nutzbar ist. Und hier ist Microsoft – im Gegensatz zu anderen, gescheiterten Versuchen für Windows Phone - umfassend. Im Standard kann über die App SMS, Emails aller Konten, Anrufe, Kalendererinnerungen, Facebook- und Facebook Messenger-Benachrichtigungen anzeigen. Wer nur nach WhatsApp und anderen Apps schreit: Kein Problem: Alle Benachrichtigungen, die im Infocenter aktiviert sind und nicht unter die vorgenannten fallen, lassen sich in einer separaten Kachel „Notification Center“ zusammenfassen. Also: Auch WhatsApp-Benachrichtigungen und andere werden angezeigt, nur eben nicht separat, sondern gesammelt.

In der Praxis funktioniert dies hervorragend. Ich habe damals Stunden um Stunden mit der VEA Smartwatch verbracht und mich über die Unzuverlässigkeit und teilweise gar Unmöglichkeit der Benachrichtigungen geärgert. Das ist vorbei: Jede einzelne Benachrichtigung kommt an. Die einzige Voraussetzung: Die Bluetooth-Verbindung zwischen Phone und Band muss bestehen. Und die reicht mit Lumia 930 und Band tatsächlich einmal komplett durchs Haus.

Neben den Benachrichtigungen sind noch einige weitere kleine Apps verfügbar: Das Wetter (ausgehend vom aktuellen Standort) kann mit Voraussage angezeigt werden, Stoppuhr/Timer/Countdown sind direkt nutzbar, und meine Lieblingsfunktion: Die Starbucks-Karte. Wer seine Starbuckskarte über die Apps auf das Band transferiert, der kann dann direkt mit dem Aufruf des Barcodes auf dem Display des Bands vor Ort seinen Kaffee bezahlen. Funktioniert in den USA prima (wenn auch mit schrägen Blicken der Angestellten), in Deutschland seht der Test noch aus.

Verbesserungen:

Keine Frage: Das Microsoft Band ist alles andere als perfekt. Die Laufzeit könnte besser sein, das Display größer und höher aufgelöst, das Material hochwertiger. Auch die Funktionen könnten durchaus erweitert werden, ein AppStore wäre eine tolle Sache. Halten wir uns eines dabei vor Augen: Das Microsoft Band ist das erste Produkt im Markt der Wearables, und der erste Vertreter der Microsoft Health-Plattform. Dafür ist es bereits verblüffend ausgereift, aber sicherlich noch nicht ein HighEnd-Gerät. Ob Microsoft das überhaupt selber produzieren möchte, oder ob das Band ein Proof of Concept ist, der andere Hersteller zum Mitmachen einladen soll (wie Microsoft ja schon selber gesagt hat), das bleibt offen. Taktisch klug auf jeden Fall: Das Microsoft Band ist die erste Smartwatch, die auf allen drei großen mobilen Betriebssystemen unterstützt wird: iOS, Android und eben Windows Phone.

Preis:

USD 199,- plus Steuer im Microsoft Store USA. Auf eBay im November 2014 zwischen USD 380,- und 500,- zuzüglich Versand (und Steuern).

Eine Aussage, ob und wann das Band auch nach Europa kommt, ist bisher nicht zu bekommen.

Fazit:

Ich LIEBE mein Microsoft Band. Weder finde ich es hässlich, noch die Laufzeit von guten zwei Tagen (und Nächten) zu kurz. Die Summe der Funktionen, die Zuverlässigkeit und das konsistente Bedienkonzept innerhalb der restlichen Microsoft-Welt suchen ihres Gleichen.

Braucht man das? Keine Ahnung, aber es bringt eine Menge an Vorteilen. Wer nur ein Fitnessband sucht, der kann sicherlich auch bei Fitbit und anderen fündig werden. Wer aber für Windows Phone eine Smartwatch mit Fitness-Anteilen oder ein Fitness-Band it Smartwatch-Funktionalität sucht, der ist momentan alternativlos. Leider auf Grund der Liefersituation aktuell sowieso alternativlos… :-(

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